Nutzung und technisches Verhalten der Oberleitungsanlage
Technische Universität Dresden: Institut für Bahnfahrzeuge und Bahntechnik, Prof. Dr.-Ing. Arnd Stephan
Für die Verkehrssicherheit der Oberleitungsanlage wurden Untersuchungen zum Schwingungsverhalten durchgeführt. Neben der Forschung im realen Betrieb ermöglichte die Entwicklung eines Simulationsmodells des eHighways Prognosen zu essentiellen Kenngrößen für einen Streckenausbau.
Verfügbarkeit der Oberleitungsanlage
Für das Nachladen der Oberleitungs-Lkw ist es entscheidend, dass die Infrastruktur eine hohe Verfügbarkeit aufweist. Somit kann sichergestellt werden, dass das Fahrzeug mit ausreichend Energie versorgt wird, um die gesamte Fahrstrecke elektrisch zu absolvieren. Zielstellung der Untersuchung war es, wichtige Kennzahlen zu Betriebs- und Ausfallzeiten, Störungsursachen sowie relevante Verfügbarkeitsmaßzahlen der Oberleitungsanlage zu bestimmen und zu bewerten. Durch die Analyse der Anlagenverfügbarkeit lassen sich zudem Rückschlüsse auf die Eignung der durchgeführten Instandhaltungsstrategie ziehen.
Grundlage für die Zuverlässigkeits- und Verfügbarkeitsbetrachtungen bildete ein vom FuE-Zentrum der FH Kiel geführtes Anlagentagebuch. Darin sind alle Ereignisse dokumentiert, die mit einer Betriebsunterbrechung der FeSH-Oberleitungsanlage einhergehen. Das Anlagentagebuch beinhaltet Informationen zum Zeitpunkt des Ausfalls und der Wiederinbetriebnahme, zur Ursache der Betriebsunterbrechung, zu den Instandsetzungsmaßnahmen sowie zu den betroffenen Anlagenteilen und Streckenbereichen. In fünf Jahren Betrieb konnten dabei wertvolle Erfahrungen und Erkenntnisse zur Verfügbarkeit und Instandhaltung der Infrastruktur gesammelt werden.
Analyse des statischen und dynamischen Verhaltens der Oberleitungsanlage
Im Rahmen der FESH Begleitforschung wurden von der Technischen Universität Dresden u. a. das statische und das dynamische Verhalten der Oberleitungsanlage untersucht.
Dynamisches Verhalten der Oberleitungsanlage
Um einen sicheren elektrischen Kontakt zwischen Fahrzeug und Oberleitung zu gewährleisten, drückt der Stromabnehmer mit der sogenannten Anpresskraft gegen den gespannten Fahrdraht. Durch die Kraft wird der Fahrdraht nach oben ausgelenkt und beginnt nach der Durchfahrt zu Schwingen. Diese Schwingungen breiten sich in der Oberleitung aus und werden an Befestigungen reflektiert. Kommt es zu einem starken Aufschwingen, kann der Kontakt des Stromabnehmers mit der Fahrleitung unterbrochen werden. Das dynamische Bewegungsverhalten der Oberleitungsanlage wurde im Bahnbereich über viele Jahrzehnte untersucht und optimiert. Neuartig beim System eHighway ist, dass der Stromabnehmer zwei Fahrdrähte gleichzeitig beschleift und die Stromabnehmer in kurzen undefinierten Abständen die Strecke befahren.
Im Rahmen von Forschungsfahrten wurde die Befahrung von mehreren Oberleitungs-Lkw in kurzem Abstand nachgestellt. Dabei wurde die dynamische Bewegung der Oberleitung mit einem laser- und einem kamerabasierten Verfahren erfasst. Aus den Bewegungsverläufen kann anschließend die Dynamik der Fahrdrähte bewertet werden.



Windabtriebsmessung
Der Wind kann die zwischen zwei Masten gespannte Oberleitung seitlich verschieben. Der Fahrdraht darf sich jedoch nur innerhalb eines bestimmten Bereichs befinden. Ansonsten kann es dazu kommen, dass der Fahrdraht seitlich vom Stromabnehmer rutscht und dieser automatisch abgesenkt wird. Außerdem dürfen die zwei Fahrdrähte sich nicht berühren, da es sonst zum Kurzschluss und einer Abschaltung der Anlage kommt. Neben einer gleichmäßigen Verschiebung der Oberleitung durch den Wind können Windböen auch Schwingungen in der Oberleitung auslösen. Da die Strecke in einer windreichen Region Norddeutschlands liegt und die Oberleitung eine neue Bauweise hat, wurde die Messung des Windabtriebs als Untersuchungsziel gewählt.
Hierfür wurde eine dauerhafte Messstation neben der Strecke installiert, welche kontinuierlich die Lage der Oberleitung erfasst. Sie misst die Position der Seile und Drähte mit einem Laserscanner. Zur Detektion wurden Reflektoren an der Oberleitung angebracht. Ein Windsensor auf der Höhe der Oberleitung zeichnet gleichzeitig Windgeschwindigkeit und -richtung auf.
Isolatoruntersuchungen
Im Winter wird auf Autobahnen Streusalz verwendet, das mit dem Wasser auf der Fahrbahn eine salzhaltige Lösung bildet. Durch vorbeifahrende Fahrzeuge wird diese Lösung aufgewirbelt, und die feinen Flüssigkeitspartikel setzen sich auf der Oberfläche von Isolatoren ab. Dadurch entsteht ein elektrisch leitfähiger Pfad, der sogenannte Kriechströme verursacht. Diese Kriechströme können die Isolatoren beschädigen und ihre Alterung beschleunigen.
Obwohl die Anlage ursprünglich für extrem ungünstige Umgebungsbedingungen ausgelegt war, traten im ersten Winter Schäden an den Isolatoren auf. Die Anlage wurde daraufhin mit Silikonisolatoren nachgerüstet, welche durch eine längere Isolationsstrecke und dem materialbedingten Lotus-Effekt die Ausbildung eines Kriechstromes verhindern sollen. Ziel der Untersuchung war es, die Eignung und Alterung der Silikonisolatoren zu untersuchen.
Als Untersuchungsmethode wurde ein dauerhaftes Messsystem an zwei entwässerungsschwachen Stellen entlang der Versuchsstrecke installiert, welches den Kriechstrom an zusätzlichen Referenzisolatoren aufzeichnet. Zudem wurden Fahrbahnsensoren eingebaut, welche den Salzgehalt und die Flüssigkeitsfilmdicke auf der Fahrbahn messen.
Weitere Wettersensorik erfasste die Ausbildung des Sprühnebels und die Umgebungsbedingungen. Zusätzlich wurden im Rahmen der Anlageninspektion Wischproben zur chemischen Analyse der Verschmutzung auf der Isolatoroberfläche und Sprühtests zur Prüfung des Lotus-Effekts durchgeführt.
Verschleißverhalten von Oberleitung und Schleifleiste
Der Kontakt zwischen Stromabnehmer und Oberleitung verursacht mechanischen Abrieb an beiden Bauteilen, dem Fahrdraht und der Schleifleiste. Dies führt zu Verschleiß, der die Lebensdauer der Komponenten verkürzt. Zusätzlich entsteht durch die Stromübertragung ein elektrischer Verschleiß, etwa durch Erwärmung. Um einen zuverlässigen Betrieb sicherzustellen, müssen die Tauschintervalle der Fahrdrähte und Schleifleisten ermittelt werden.
Im Bahnbereich wird der Fahrdraht im Zickzack gespannt, während das Fahrzeug auf den Schienen geführt wird. Dadurch verteilt sich der Verschleiß der Schleifleisten gleichmäßig. Beim eHighway hingegen sind die Fahrdrähte gerade entlang der Fahrbahn verlegt. Die Bewegung des Drahts auf der Schleifleiste entsteht durch das leichte Pendeln der Fahrzeuge zwischen den Fahrbahnmarkierungen.
Zur Untersuchung des Schleifleistenverschleißes wurde das optische Messsystem „PantoInspect“ eingesetzt. Dieses System erstellt im laufenden Betrieb Fotoaufnahmen und 3D-Scans der Schleifleisten, während ein Stromabnehmer vorbeifährt. So können Bereiche mit erhöhtem Verschleiß und Schäden identifiziert werden. Der Verschleiß des Fahrdrahts wurde an verschiedenen Punkten entlang der Oberleitung mit einer Mikrometerschraube gemessen.


Betriebs-, Leistungs- und Energiesimulationen des Gesamtsystems eHighway
Von der Professur für Elektrische Bahnen wurde ein Simulationsmodell für den eHighway als elektrisches Verkehrssystem am Beispiel der FeSH-Strecke entwickelt und gegen reale Messdaten validiert. Um den Betrieb einer eHighway-Anlage praxisnah abbilden zu können, wurden im Modell die in der Abbildung dargestellten Teilsysteme nachgebildet. Das umfasst die Fahrzeuge, die Strecke, die elektrische Infrastruktur und den (Fahr-)Betrieb sowie deren Wechselwirkungen. Das Simulationsprinzip basiert auf einer Fahrbetriebs- und Antriebssimulation mit kombinierter elektrischer Netzberechnung. Die Validierung des Modells erfolgte mit im Feldversuch aufgezeichneten realen Messdaten der Oberleitungs-Lkw.
Das entwickelte Simulationsmodell lässt sich auf beliebige Strecken erweitern und bildet somit eine Basis für die Untersuchung von Technologieausbauszenarien. Das Modell ermöglicht dabei die Prognose der relevanten elektrischen und betrieblichen Kenngrößen wie beispielsweise dem Leistungs- und Energiebedarf entlang der betrachteten Trassen sowie die Auslegung aller elektrischen Anlagen ab Verteilnetzebene (Oberleitung, Unterwerke) in Abhängigkeit des auftretenden Verkehrs. Als einen Untersuchungsschwerpunkt stellte sich die Leistungsfähigkeit der Oberleitungsinfrastruktur heraus. Wichtige Voraussetzung für einen Technologiehochlauf ist, dass die elektrische Oberleitungsinfrastruktur die vom Verkehr an sie gestellten Leistungsanforderungen zuverlässig erfüllen kann. In Hochlaufszenarien entsteht bei dichten Verkehrsaufkommen mit mehreren Oberleitungs-Lkw pro Kilometer schnell ein großer Leistungsbedarf. Die Untersuchungen evaluieren den Zusammenhang zwischen erwartetem Betrieb der Oberleitungs-Lkw und der dafür erforderlichen Oberleitungsinfrastruktur.
Materialeinsatz für die Errichtung der Infrastruktur
Zur Umsetzung des Systems eHighway bedarf es, neben der technologischen Anpassung der Fahrzeuge, auch der Installation einer Infrastruktur entlang der zu elektrifizierenden Trassen. Dadurch entsteht ein materieller Mehraufwand im Vergleich zum konventionellen und bestehenden Diesel-Lkw-System. Diesen zusätzlichen materiellen Aufwänden sind Umweltauswirkungen in Form von Emissionen und Energieverbräuchen für die Herstellung und Bereitstellung der Komponenten zuzuschreiben.
Ziel dieser Untersuchungen war die Schaffung einer validen Datengrundlage in Form einer sogenannten differentiellen Sachbilanz. Diese ermöglicht die Quantifizierung der materiellen Mehraufwände, die durch das System eHighway mit der zu errichtenden Oberleitungsinfrastruktur sowie den zusätzlich notwendigen Fahrzeugkomponenten entstehen (Vergleich Abbildung). Die Bilanz enthält alle Materialien und deren zugehörigen Massen, die das System des elektrifizierten Straßengüterverkehrs mit Oberleitungen vom bisherigen konventionellen Straßengüterverkehr unterscheiden. Sie stellt somit eine der Grundlagen für die Umweltbewertung des eHighway-Systems dar. Die Sachbilanz wurde für die tatsächlich errichtete FeSH-Oberleitungsanlage inklusive der Unterwerke erstellt. Für den Aufbau einer entsprechenden Datenbasis wurden unter anderem technische Zeichnungen der Komponenten, Oberleitungslagepläne, Produktkataloge sowie Erkenntnisse aus Experteninterviews genutzt.
Prof. Dr.-Ing. Arnd Stephan im Interview
Professor Stephan hat den Lehrstuhl für elektrische Bahnen an der Technischen Universität Dresden inne und ist im Rahmen der Begleitforschung von FESH Fragestellungen im Bereich Anlagentechnik nachgegangen. Im Interview gibt er einen Überblick über sein Forschungsfeld sowie die Vorzüge und Herausforderungen der Oberleitungs-Technologie.
„Wir wollen, dass der Verkehr grüner und besser wird und da ist der elektrische Verkehr mit den verschiedenen Lösungen, die sich heute anbieten, natürlich im Zentrum der Betrachtung.“, erklärt Professor Stephan.