Verkehrstechnische und verkehrspsychologische Bewertung

Technische Universität Dresden: Fakultät Verkehrswissenschaften „Friedrich List“,
Prof. Dipl.-Ing. Ltd. BD Reinhard Koettnitz in Vertretung für Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr. e. h. Christian Lippold

Da Oberleitungen noch ein ungewohntes Bild für die betroffenen Verkehrsteilnehmer darstellen, werden eventuelle Einflüsse auf das Fahrverhalten, insbesondere Geschwindigkeits-, Spur- und Abstandverhalten, vor und nach dem Bau der Anlage verglichen.

Um die Auswirkungen von Veränderungen besser beurteilen zu können, erfolgt ein Vergleich unterschiedlicher Verkehrsgeschehen im Zeitraum von jeweils drei Jahren vor und mit Oberleitungen. 

Methodik

Zur anonymen und stichprobenartigen Erfassung des Fahrverhaltens der Verkehrsteilnehmer wurde ein Messsystem am rechten Fahrbahnrand hinter dem Fahrzeugrückhaltesystem des mehrspurigen Streckenabschnittes installiert, dessen LIDAR-Sensoren impulsartig ein unsichtbares infrarotes Licht aussenden. Werden die Infrarotstrahlen von einem Fahrzeug reflektiert, bestimmt das Messsystem durch eine Laufzeitmessung die Position des Fahrzeuges. Neben der Positionsbestimmung und Geschwindigkeitserfassung erkennt das Messgerät die verschiedenen Höhenprofile der Kraftfahrzeuge und kann sie dadurch grob klassifizieren, ihre Abstände zueinander messen und ihre Fahrbahn zuordnen. Die erfassten Fahrzeuge werden in Klassen (Pkw, Lkw etc.) eingeteilt und die Veränderung im Fahrverhalten ausgewertet.

Ergebnis

Geschwindig­keits­verhalten ohne Ober­leitung ​

Die Geschwindigkeit auf dem linken Fahrstreifen von 85 % der erfassten Fahrzeuge (V85) ist mit circa 160 km/h sehr hoch.  Weiterhin ist zu erkennen, dass Lieferwagen eine fast annähernd so große V85 wie Pkw aufweisen.

Spurverhalten
ohne Oberleitung

Auf dem rechten Fahrstreifen wird unabhängig von der Fahrzeugklasse überwiegend weit rechts in Abweich- oder Extremspurlagen gefahren, während auf den Überholfahrstreifen die Ideal- und Normalspurlagen dominieren.

Abstands­verhalten ohne Oberleitung

Über alle Fahrzeugklassen ist zu erkennen, dass der Abstand häufig weniger als zwei Sekunden beträgt.

Dipl.-Ing. Matthias Rohrbach im Interview

Dipl.-Ing. Matthias Rohrbach ist Mitarbeiter an der Professur für die Gestaltung von Straßenverkehrsanlagen an der Technischen Universität Dresden und befasst sich mit Fragestellungen rund um die Verkehrssicherheit.

 

„Unsere Fragestellung bezieht sich vor allen Dingen auf die Verkehrsteilnehmenden selbst. Das heißt, wir wollen wissen, ändert sich das Fahrverhalten dadurch, dass wir die Oberleitung in den Verkehrsraum einbringen.“, erklärt Rohrbach.