Fotos: Landesvertretung Schleswig-Holstein
Staatssekretär Höppner: Zurückhaltung basiert nicht auf Bewertung der Technologie
BERLIN. Am 1. Juli 2024 fand in der Landesvertretung Schleswig-Holstein in Berlin die Diskussionsveranstaltung zur „Dekarbonisierung des schweren Straßengüterverkehrs: Oberleitungstechnologie als Baustein für die Verkehrswende“ statt. Energiewendeminister Tobias Goldschmidt führte, auch im Namen des Verkehrsministers Claus Ruhe Madsen, durch den Abend. Dabei betonte er bereits im Eröffnungsstatement die technologische Reife der Oberleitung und stellte die Frage, wie die Technologie nun in die Umsetzung geführt werden könne.
Der Vortrag zur Bilanz der Oberleitungsprojekte von Prof. Dr.-Ing. Arnd Stephan von der TU Dresden untermauerte die Einsatzfähigkeit der Oberleitungstechnologie durch Fakten aus Forschung und Betrieb. Wie das Thema Oberleitung mehr Berücksichtigung erhalten könnte, erläuterte Britta Sommer vom Projektträger VDI/VDE-IT. Bis Ende 2024 müsse die EU-Kommission einen Bericht zur Technologie- und Marktreife schwerer Nutzfahrzeuge vorlegen, in dem die vorhandenen Lösungen zur Dekarbonisierung des Schwerlastverkehrs dargelegt werden. Die Aufnahme des dynamischen Ladens in diesen Bericht wäre ein wichtiger Schritt, um das Thema EU-weit zu positionieren.
Aus der Logistiker-Perspektive betrachtete Dr. Jörg Salomon von der Deutschen Post AG / DHL die Situation bei der Dekarbonisierung schwerer Lkw. Dabei betonte er, dass es schwer vorstellbar sei, wie das stationäre Laden im öffentlichen Raum funktionieren solle. Für mehr Praxistauglichkeit müssten neben dem stationären Laden auch Lösungen wie die Oberleitung oder Batteriewechselsysteme in Betracht gezogen werden.
Im Anschluss an die Vorträge fand eine Podiumsdiskussion zu den Zukunftsperspektiven der Oberleitungstechnologie statt. Die Diskussion war von vielen Argumenten für eine großmaßstäbliche Anwendung der Oberleitungstechnik in Deutschland geprägt. Wirtschaftlich rechne sich das System bereits, wenn weniger als 5 % der in Deutschland zugelassenen Lkw es nutzen würden, rechnete Hasso Grünjes (Siemens Mobility GmbH) vor. Und das Potenzial sei noch deutlich höher, wenn man den großen Anteil ausländischer Lkw auf deutschen Straßen berücksichtige.
Klar wurde in der Diskussion auch, dass Wasserstoff im Straßenverkehr lediglich eine Nischenanwendung sein könne, da er in der Stahl- und Prozessindustrie sowie ggf. in der Schiff- und Luftfahrt benötigt werde. Die bundespolitische Priorisierung dieser Technik wurde durch Staatssekretär Höppner (Bundesverkehrsministerium) allein durch die Vorgaben in der europäischen Alternative Fuels Infrastructure Regulation (AFIR) begründet. Auf die Frage Goldschmidts hin, inwiefern das Bundesverkehrsministerium bei der Technologieoffenheit ins Schleudern geraten sein könnte, äußerte sich Staatssekretär Höppner eindeutig: Die aktuelle Zurückhaltung in Bezug auf die Oberleitung basiere nicht auf einer Bewertung der Technologie, sondern resultiere ausschließlich aus haushaltspolitischen Erwägungen und den Vorgaben durch die AFIR.
„Wir fanden die Oberleitung enorm spannend, deshalb haben wir auch Gespräche mit dem Konsortium1 geführt, aber mit dem Urteil des Verfassungsgerichts zum Klima- und Transformationsfonds haben uns dann die Mittel gefehlt, hier noch einen weiteren Ansatz zu verfolgen“, so Höppner.
1[Anm.: am 15.05.2023 mit Thyssenkrupp Schulte, DHL, Continental Engineering Services, Scania und Siemens]